Menschen streben nach emotionaler Bindung, das sagte bereits, der Pionier der Bindungsforschung, John Bowlby. Dennoch ist es für viele Menschen schwierig, dauerhafte glückliche Partnerschaften einzugehen. Ein wesentlicher Grund dafür, ist auf unsere Bindungsstile zurückzuführen, die wir bereits in früher Kindheit erlernt haben. Es sind Verhaltensweisen, die uns als Kind nützlich waren und uns beschützt haben. Als Erwachsene allerdings daran hindern, tiefe innige Beziehungen zu leben.
Diane Poole Heller unterscheidet vier Beziehungstypen:
(wobei es auch Mischtypen gibt und eine strikte Trennung oft nicht möglich und zielführend ist)
Sichere Bindung
Menschen mit sicherer Bindung waren in der glücklichen Lage mit viel Liebe und Unterstützung von ihren Bezugspersonen aufzuwachsen. Sie sind als Erwachsene fähig, gesunde Beziehungen zu führen. Sie können die Liebe anderer annehmen, Konflikte ohne großes Drama lösen und mühelos verzeihen.
Auch wenn für viele von uns eine sichere Bindung außer Reichweite zu liegen scheint, ist es dennoch die grundlegende Form, die es zu entdecken und zu erlernen gilt.
Vermeidende Bindung
Menschen mit diesem Bindungstyp wurden als Kinder oft alleine gelassen oder ihre Eltern waren nicht präsent genug, um ihnen die notwendige Unterstützung zu bieten. Diese Menschen haben gelernt, Intimität von sich fernzuhalten und neigen dazu, die Wichtigkeit von Beziehungen herunterzuspielen. Sie wirken auf die Außenwelt oft unbeteiligt, reserviert, zurückweisend, als einsamer Wolf oder Arbeitstier. Sie verfolgen Aktivitäten, welche die Loslösung von Anderen weiter vorantreiben - Internet surfen, Computer spielen, sogar meditieren.
Um der Abgrenzung nach außen entgegenzuwirken, sollten Personen mit vermeidenden Beziehungsstil versuchen, mit anderen Personen in Kontakt zu treten - auch wenn dies eine große Herausforderung darstellt. Jemanden um Hilfe bitten, einen Smalltalk führen oder eine gemeinsame Aktivität mit Freunden planen, könnten erste Schritte sein.
Wenn Sie Partner von jemanden mit vermeidenden Bindungstyp sind, ist es ratsam, die Distanziertheit nicht zu persönlich zu nehmen und ihm den benötigten Freiraum zuzugestehen.
Ambivalente Bindung
Menschen mit ambivalenter Bindung hatten zwar die Liebe ihrer Eltern erfahren, allerdings war die Zuneigung nicht vorhersehbar und regelmäßig. Diese Menschen sind nicht in der Lage auf stabile Partnerschaften zu vertrauen, sondern sind in ständiger Alarmbereitschaft verlassen zu werden. Von Mitmenschen werden sie oft als hilfsbedürftig, anhänglich, überempfindlich oder kontrollsüchtig erlebt.
Ambivalent gebundene Erwachsene, reagieren auf unbewusster Ebene so, als ob sie ihre primäre Bezugsperson (zB ein Elternteil) verlieren würden. Ihre Hilfeschreie, dienen aber heute nicht mehr dem eigenen Überleben, sondern erweisen sich als übersteigert. Wenn Sie diese Angst in den Griff bekommen, werden Sie imstande sein, Ihrem Partner näher zu kommen und wirkliche Erfüllung zu erfahren - ohne Kontrolle und Eifersucht. Finden Sie Mittel und Wege, sich selbst zu beruhigen. Machen Sie einen Spaziergang in der Natur, gehen Sie joggen, praktizieren Sie Yoga oder nehmen Sie ein paar tiefe Atemzüge.
Als Partner von einem ambivalenten Menschen werden Sie Ihre Liebe oft beweisen müssen, auch wenn Sie selbst keinen Grund für einen Vertrauensbruch liefern.
Desorientierte Bindung
Dieser Bindungstyp entwickelt sich oft als Reaktion auf eine Bezugsperson, die als beängstigend erlebt wurde. Sei es Gewalt in der Familie oder auch ein abrupter Wechsel zwischen extremen Gefühlszuständen eines Elternteils. Desorientiert gebundene Personen sind selbst durch ein Übermaß an Angst gekennzeichnet, plötzlichen Stimmungswechseln unterworfen und innerlich gespalten. Ein übersteigertes Kontrollverhalten, das heißt die Neigung alles zu beaufsichtigen und im Griff haben zu wollen, ist oft ein Anzeichen desorientierter Bindung. Solche Menschen leiden selbst oft an mangelnder Impulskontrolle und übermäßiger Aggressivität.
Menschen, die desorientierte Bindung erfahren haben, begeben sich oft selbst wieder in Gewaltbeziehungen, weil sie verlernt haben, zwischen Sicherheit und Bedrohung zu unterscheiden. Ein kennzeichnendes Merkmal ist die Angststarre, die aufgrund abgrundtiefer Furcht zu einer Lähmung führt, in der Menschen die Fähigkeit zu hören oder zu sprechen verlieren.
Wenn Sie von desorientierter Bindung betroffen sind, ist es wichtig, wieder ein Gespür für Grenzen zu entwickeln. Psychotherapie kann hier - wie bei allen anderen Bindungstypen - helfen, alte Wunden zu heilen und ein sicheres Gefühl für Beziehung aufzubauen.
Als Partner von desorientiert gebundenen Menschen, ist es ratsam, klar und deutlich zu kommunizieren und wenig Interpretationsspielraum zu lassen. Achten Sie auf einen wohlwollenden Tonfall in Ihrer Stimme und berühren Sie Ihren Partner auf liebevolle Weise. Jede Geste der Sicherheit, trägt dazu bei, die traumatischen Erlebnisse Ihres Partners, durch neue sichere Bindungserfahrungen zu überschreiben.
Resümee
Egal welche Bindungserfahrungen wir in unserer Vergangenheit gemacht haben, in jedem von uns steckt die Sehnsucht nach Liebe und Verbundenheit. Und jeder von uns ist, tief drinnen, mit der Fähigkeit nach sicherer Bindung ausgestattet.
Auch wenn es, dem ersten Anschein nach, anstrengend erscheint, kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass es sich lohnt, diese Fähigkeit wiederzuentdecken. Als Single, der immer wieder an den falschen Partner gerät, kann Psychotherapie helfen, dieses Muster zu unterbrechen. Als Partner in einer leidvollen oder lustlosen Beziehung, kann eine Paartherapie die schädlichen Beziehungsdynamiken aufdecken und zu einem erfüllteren Liebesleben beitragen. Vielleicht hat Ihnen ja dieser Artikel Lust gemacht, den ersten Schritt zu machen.
Es gäbe noch unendlich viel über Beziehungsstile und Bindungstypen zu erzählen. Wenn Sie noch mehr darüber erfahren möchten, kann ich Ihnen das Buch "Tief verbunden" von Diane Poole Heller empfehlen. Da es eines meiner Herzensthemen ist, werde ich zukünftig sicher noch den ein oder anderen Blogbeitrag dem Thema Beziehung widmen. Mit der Überzeugung, dass dieses Thema, in irgendeiner Art und Weise, uns alle betrifft. Und mit der Hoffnung, dass es auch Ihr Interesse trifft. 🙂
Wenn Sie Ihren persönlichen Bindungsstil reflektieren und verändern möchten, unterstütze ich Sie gerne. Eine sichere und vertrauensvolle Therapiebeziehung kann der erste wichtige Schritt in Richtung sichere Bindung sein.
* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für beide Geschlechter.