• Unser Chef propagiert Fehlerkultur - nur niemand will einen Fehler machen.
  • Wir treiben Sport zum Stressabbau - trainieren aber für den nächsten Marathon.
  • Unser Kind schreibt gute Noten - nur hat es keine Freunde.
  • Unser Haus ist perfekt geputzt - jetzt sollte bloß keiner drin wohnen.
  • Die perfekte Bikinifigur ist erreicht - beim Blick in den Spiegel sehen wir immer mehr Falten.

Unser Streben nach Perfektion ist im Grunde genommen ein Streben nach Anerkennung. Wir wollen alles perfekt machen oder perfekt aussehen, um von unseren Mitmenschen geliebt und wertgeschätzt zu werden. Die Angst vor Ablehnung und den damit einhergehende Schmerz, versuchen wir durch perfekt sein zu vermeiden.

Die meisten Perfektionisten wurden in der Kindheit für Erfolge und Leistungen belohnt. Eine gute Note brachte Lob und Zuneigung der Eltern und jede Eins im Zeugnis eine Aufbesserung des Taschengeldes. Ein Schuss ins Fußballtor ließ den Vater jubeln. Dadurch haben die meisten völlig verinnerlicht: "Ich bin, was ich leiste." Beim Perfektionismus geht es daher mehr darum, wie ich von anderen wahrgenommen werde, als die eigene innere Motivation.

Perfektionismus - Fluch und Segen

Perfektionismus muss nicht per se eine schlechte Eigenschaft sein, die es um alles in der Welt loszuwerden gilt. Er gibt uns Ansporn unsere Komfortzone zu verlassen und mit vollem Einsatz an einer Sache zu arbeiten. Spätestens wenn wir am OP-Tisch liegen, sind wir froh über das uneingeschränkte Bemühen des Chirurgen. Solange wir uns darüber freuen, wenn wir unser selbst gestecktes Ziel erreichen und uns für den Einsatz auch belohnen, kann das unser Selbstwertgefühl stärken und Energie für Neues bringen.

Wenn sich aber dieses Gefühl der Zufriedenheit nicht einstellt und wir das Gefühl haben, dass sich immer noch etwas besser machen ließe, dann wirkt sich der Perfektionismus negativ auf unsere psychische Gesundheit aus. Perfektionismus ist ein zentrales Element bei der Entstehung eines Burnouts. Studien haben auch gezeigt, dass Perfektionisten ein erhöhtes Risiko haben, depressiv zu werden oder Angststörungen zu entwickeln. Auch chronische Kopfschmerzen können die Folge eines übermäßig ausgeprägten Perfektionsstrebens sein. Spätestens bei Auftreten der genannten Symptome sollten wir hellhörig werden und sie als Warnsignal ernst nehmen.

Perfektionismus loslassen ist nicht einfach

Es gibt unendlich viele Selbsthilferatgeber über das "perfekte Loslassen" von Perfektionismus und dennoch ist es für viele oft ein langer Weg sich von den inneren Ansprüchen loszulösen. Auch wenn vielen Betroffenen durchaus bewusst ist, dass ihre perfektionistischen Strategien problematisch sind. Einem Perfektionisten zu sagen, er solle sich in Nachsicht üben, ist ungefähr so erfolgreich, wie wenn man einem Alkoholiker sagt, er solle nichts mehr trinken.

Perfektionismus überwinden, berührt die Frage: Wer bin ich? Viele Menschen schauen auf andere, um herauszufinden, wer sie sind. Das ist müßig, den jeder Mensch hat seine einzigartige Geschichte. Manche Menschen sterben ohne zu merken, ein ganzes Leben lang eine Rolle gespielt zu haben. Das ist ziemlich traurig.

Loslassen müssen Sie nicht die eigenen Erwartungen an ihr Leben, sondern die der anderen. Setzen Sie sich Ziele, die Ihrer eigenen Lebenseinstellung entsprechen und benutzen Sie nicht den Maßstab der anderen. Investieren Sie in sich selbst, indem Sie sich die Zeit nehmen, um herauszufinden und sich damit anzufreunden, wer Sie sind. 

Unterstützung im Rahmen einer Psychotherapie und/oder Coaching anzunehmen, kann ein erster Schritt sein, sich mit Ihrer Unvollkommenheit anzufreunden. Denn was Sie sich vermutlich von tiefstem Herzen wünschen, ist mit sich selbst und Ihrer Unvollkommenheit zufrieden zu sein.